Machine Learning im Finanzwesen: endlich einfach

Disruption ist ein abstrakter Begriff. Eins dieser Worte, vor denen die Erstsemester in Journalistenschulen gewarnt werden: vor den …ions und …ungs dieser Welt. Worte, die so enden, können bekanntlich alles bedeuten und nichts. Das Wort “Disruption” wirkt sich allerdings so stark aus auf Gesellschaft, Wirtschaft und Wohlstand, dass im Finanzsektor mittel- bis langfristig tatsächlich (fast) “alles” disruptiert wird. Bestes Beispiel: Algorithmen und Machine Learning machen langwierige und völlig ineffiziente Bonitätsprüfungen überflüssig.

Wer als Unternehmer nicht liquide ist, der ruft bei seiner Bank an und fragt für gewöhnlich nach einem Termin. Je nachdem, wie gut die Beziehung zum Kundenberater ist, kann so ein Termin schon nach einigen Tagen bis Wochen zustande kommen. Für die Anreise zur Bank und das Besprechen des Anliegens geht wohl oder übel nochmal ein halber Arbeitstag drauf. Anschließend gilt es, die Liste mit den versprochenen Unterlagen abzuarbeiten. Schufa-Auskünfte, Rücklagen, Kontodaten, Verträge. Schon erstaunlich, was der Bankberater alles wissen will. Mit etwas Glück passen die Dokumente allesamt in einen Briefumschlag. Irgendwann landen sie dann auf einem dicken Stapel beim Kundenbetreuer…

Was sich für digitale Vordenker anhört, wie eine Anekdote aus der analogen Steinzeit, ist für etliche Betriebe, Freiberufler und Unternehmer bitterer Alltag. Besonders nervig sind die veralteten Offline-Prozesse, wenn es nicht um einen langfristigen Kredit, sondern um kurzfristige Flexibilität geht. Beispiele gibt es dafür viele: Das Unternehmen ist für eine hohe Rechnung in Vorleistung gegangen, eine wichtige Maschine ist defekt oder ein Zahlungseingang lässt schlichtweg noch etwas auf sich warten. Auch Startups, gerade wenn sie gen Übersee verkaufen, wissen, wie nervtötend es ist, auf die Zahlungseingänge gestellter Rechnungen zu warten.

Gerade Teams, die Hardware-Produkte herstellen und verkaufen, aber auch Freiberuflern reichen in vielen Fällen schon ein paar tausend oder zehntausend Euro, um in solchen Situationen den Geschäftsbetrieb am Laufen zu halten. Der damit verbundene Aufwand in der alten Offline-Welt wirkt grotesk. Für raschen Finanzbedarf zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe waren und sind analoge Prüfungsverfahren schlichtweg das falsche Mittel. Es wäre so, als ob man bei einem Herzinfarkt die 112 wählt und sich der Notarzt zu Fuß auf den Weg macht.

Stapel an Aktenordnern

Gehören hoffentlich bald der Vergangenheit an: Aktenordner-Stapel.

Dabei geht online alles viel schneller und präziser: Ohne persönliches Vorsprechen, ohne Schufa-Anfrage, ohne Briefpost und vor allem ohne lange Wartezeiten. Grundlage dafür sind intelligente Algorithmen und Machine Learning. Die Frage lautet doch: Wie aussagekräftig sind bestimmte Angaben, um das Risiko abschätzen zu können, dass ein Kreditnehmer das geliehene Geld nicht zurückzahlen kann.

Zweifelsfrei kein einfaches Vorhaben. Allerdings haben Online-Verfahren einen entscheidenden Vorteil gegenüber Offline-Prozessen: Sie können die zugrunde liegenden Algorithmen fortlaufend anhand von Ereignissen in der echten Welt optimieren. Sprich: Sobald eine ausreichende Anzahl an Zahlungsverzögerungen auftaucht, bestimmen die Algorithmen, ob ein bestimmtes Muster erkennbar ist. Im Factoring berechnen selbstlernende Algorithmen, ob Variablen wie die Höhe der ausstehenden Rechnungssumme oder die Art des Rechnungsempfängers (UG/ GmbH/ Freiberufler usw.) stärker/ weniger stark in das Scoring einfließen. Für diejenigen, die es noch nicht wissen: Factoring bezeichnet die Vorfinanzierung von ausstehenden Rechnungen. Traditionelle Bankhäuser können in all solchen Fragen fast nur mutmaßen. Im Zweifel gehen sie dann lieber auf Nummer super-sicher und berücksichtigen auch noch die zu spät bezahlte Handyrechnung vor zehn Jahren. Was auch immer die mit der aktuellen Bonität zu tun haben mag.

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Eine Lose-lose-Situation für alle Beteiligten: Banken gehen gute Geschäfte verloren, Freiberufler und Startups kommen nicht an teils dringend benötigtes Kapital, um zu wachsen und zu investieren, und Bankmitarbeiter wie Unternehmer plagen sich mit lästigem Papierkram.

Je nach Art der Finanzierung werden die intelligenten und selbstlernenden Online-Scoring-Prozesse anders ausschauen. Schließlich variiert die Risikokalkulation abhängig von Dauer und Höhe des Kredits. Besonders freuen werden sich dabei natürlich Geldsuchende, die es besonders eilig haben. Für sie eröffnen sich plötzlich ganz neue Möglichkeiten. Wie man sieht ist “Disruption” gar nicht so abstrakt. Wer genauer hinschaut, erkennt: Dank neuer Technologie verbessert sich vieles zum Vorteil aller.

Über den Autor
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Daniel La Marca ist Country Manager bei Finiata. Finiata bietet Factoring auf Basis von maschinellem Lernen an und ermöglicht Unternehmen jeder Größe und Freiberuflern innerhalb weniger Minuten eine Vorfinanzierung der offenen Rechnung. Der Jurist war zuvor in einer Wirtschaftskanzlei tätig.

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