Netzneutralität: 4 Gründe warum wir sie brauchen

Anfang März war es Comcast-Nutzern in den USA für rund 18 Stunden nicht möglich ihre Mails abzurufen, da der Zugang zum sicheren Mail-Service Tutanota blockiert war. Dies zeigt beispielhaft wie folgenschwer das Ende der Netzneutralität für Internetnutzer, aber auch für Startups sein kann.

Die Webseitensperrung von Tutanota – ob sie nun beabsichtigt oder aufgrund eines technischen Fehlers geschehen ist – zeigt, wie viel Macht Internetanbieter haben. In den USA kämpft die Netzgemeinde gerade darum, dass die Netzneutralität erhalten bleibt. Dagegen zielt das Lobbying der großen amerikanischen Internetanbieter wie Comcast und Verizon darauf ab, die Netzneutralität abzuschaffen.

Ohne Netzneutralität könnten Comcast, Verizon und Co in Zukunft ‚US-Pakete‘ anbieten, in denen amerikanische Services wie Google, Facebook und Twitter ohne Datenlimit enthalten wären. Wenn amerikanische Internetanbieter solche Pakete schnüren, würde dies den Wettbewerb im Internet verheerend verändern. Services, die nicht in den Paketen enthalten sind, würden für den Nutzer teurer und damit uninteressanter werden.

Netzneutralität auch in Deutschland durchlöchert

In Deutschland ist die Situation übrigens ganz ähnlich: Zwar gilt hierzulande – und europaweit – derzeit das Grundprinzip der Netzneutralität, allerdings nicht so vollumfassend, wie wir uns das wünschen würden. In Deutschland dürfen Provider auch heute schon ‘Pakete’ schnüren, bei denen die Dienste bestimmter Anbieter bei der Berechnung des Datenvolumens im Mobilfunk nicht mitberechnet werden. Solche Angebote müssen zwar von der Bundesnetzagentur genehmigt werden, was meist nur unter Auflagen geschieht. Das Problem, das sich dabei ergibt, bleibt aber: Nicht alle Anbieter werden gleich behandelt, da natürlich nicht alle in dem Paket enthalten sind.

Netzneutralität besonders wichtig für Startups

Ein solches Szenario wäre besonders verheerend für europäische Anbieter und Startups, da sie auf dem amerikanischen Markt von vornherein benachteiligt wären. Deshalb ist der amerikanische Kampf für Netzneutralität auch für uns Europäer extrem wichtig.

4 Gründe warum wir Netzneutralität brauchen

  1. Für ein freies Internet

Ohne Regeln zur Netzneutralität könnten Internetanbieter wie Comcast und Verizon beliebig Inhalte blockieren, oder ‘Service-Pakete’ präferierter Partner anbieten.

Nutzer wären nicht frei zu entscheiden, welche Webseiten sie besuchen wollen, sondern wären an das Angebot ihres Poviders gefesselt.

  1. Für freien Wettbewerb

Die Angebotsverknappung – ausgelöst durch die Internetanbieter – würde es Startups wesentlich schwerer machen durchzustarten. Wenn Nutzer nur zu einem eingeschränkten Angebot unlimitierten Zugang erhalten, werden sie ein vielversprechendes neues Startup aufgrund der zusätzlichen Gebühren wahrscheinlich gar nicht erst ausprobieren.

  1. Für freie Meinungsäußerung und gegen Zensur

Netzneutralität ist enorm wichtig für die freie Meinungsäußerung, und damit auch, um die Demokratie zu schützen. Ohne Netzneutralität gibt es keinen Weg zurück: Große Konzerne werden das Internet beherrschen. Große Konzerne werden darüber entscheiden, was wir im Internet zu sehen bekommen. Große Konzerne werden so die öffentliche Meinung dominieren. Große Konzerne werden zukünftige politische Entscheidungen enorm beeinflussen können. Eine freie Willensbildung ist mit dieser Art der konzerngesteuerten Zensur nicht mehr möglich.

Derzeit ist gerade das Internet der Ort, an dem Menschen sich umfassend informieren können – auch in Staaten, in denen die Herrschenden die Medien kontrollieren. Das Internet hat sich inzwischen zu einem der wichtigsten Mittel entwickelt, um öffentlichen Widerstand zu organisieren, wenn die Herrschenden versuchen zu viel Macht an sich zu reißen. Ein freies und offenes Internet hilft den Menschen auf der ganzen Welt sich unzensierte Informationen zu beschaffen.

  1. Für freien Zugang zu Information und Bildung

Die meisten Staaten investieren sehr viel in konstenlose Bildung: Kostenlose Schulen, kostenlose Büchereien für Schüler und Studenten, und vieles mehr. Ohne Netzneutralität aber schaden wir einer der größten Ressource um freie Informationen zu sammeln: das Internet.

Ein limitierter Zugang zu dieser umfangreichen Bibliothek an Wissen wird benachteiligte Familen unverhätnismäßig schwer treffen, und jedermanns Möglichkeit im digitalen Zeitalter mehr zu lernen einschränken.

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Wenn Webseiten für schnelle Ladezeiten zahlen müssen, wird besonders der uneingeschränkte Zugang zu bildungsnahen und gemeinnützigen Webseiten erschwert, da die Organisationen dahinter entweder nicht das Geld haben für schnelle Zugänge zu zahlen oder die Gelder lieber anderweitig investieren als es Internetanbietern zu geben.

Schlussfolgerung

Das Internet als freier und offener Marktplatz ist wunderbar zur Verbreitung von Information und Wissen und um Innovationen voranzutreiben. Deshalb muss das Internet behandelt werden wie andere Dinge, die der Mensch zur Grundversorgung benötigt, wie Strom oder Wasser zum Beispiel. In unserer modernen, digitalen Zeit ist der Zugang zum Internet – und zu dem gesamten Inhalt mit der schnellstmöglichen Verbindung – ein Grundbedürfnis. Wir brauchen das Internet inzwischen für alle möglichen Dinge, die wir im Alltag zu erledigen haben. Solch ein wichtiges Werkzeug vollständig in die Hand profitorientierter Unternehmen zu geben ist gefährlich.

Über den Autor: 

Matthias Pfau ist einer der Gründer und Entwickler von Tutanota, dem Service für sichere E-Mails für Unternehmen und Privatpersonen. Er schreibt Code, um Massenüberwachung und Wirtschaftsspionage zu beenden – indem alle E-Mails automatisch verschlüsselt werden.

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